Bewerbungsabenteuer III – Das Aus vor dem Altar

Weiter geht es in der Beitragsreihe “Bewerbungsabenteuer.” Während es in meinem letzten Beitrag Bewerbungsabenteuer II – Gehaltsverhandlungen um Gehaltsgespräche bei einem Discounter ging, geht es heute um einen Arbeitgeber, mit dem eigentlich alles gut zu laufen schien, bis es dann plötzlich endete. Aber eins nach dem anderen.

Die Stellenbeschreibung

Mitte 2019 hatte ich parallel mehrere Prozesse am Laufen. Einige wurden von Recruitern initiiert, andere von mir selbst. Meine Hauptanlaufstelle für Stellenangebote war zu der Zeit LinkedIn, da man sich hier “Einfach bewerben” konnte. Ein Klick und die Bewerbung war raus. Zudem gab es hier auch viele internationale Unternehmen. Meine Suche beschränkte sich nicht nur auf Deutschland oder Stuttgart, sondern inkludierte außerdem Länder wie Spanien, Großbritannien oder die USA.

Mein damaliger Stack – MS SQL Server, .NET & AngularJS – war bedingt durch meine Werkstudententätigkeit und anschließende Anstellung bei ein und dem selben Unternehmen entstanden aber leider etwas aus der Zeit gekommen. Vor allem im Frontend gab es einige Änderungen, die ich verpasst hatte, dadurch, dass unser Unternehmen ein eigenes Framework auf Basis von AngularJS geschrieben hatte. Eine Migration zu neueren Versionen war (finanziell) nicht möglich und wir verharrten, solange wie möglich, auf dieser Technologie.

So stieß ich dann auf eine Stelle, die genau meinen Stack abbildete. Ich war überrascht, doch einen Haken gab es: Man wollte einen Senior Entwickler. Das war ich keinesfalls. Ich hatte gerade einmal etwa neun Monate Erfahrung in Vollzeit, zuzüglich weiteren neun Monaten als Werkstudent. Ich war auf dem Papier nur ein Junior.

Das hielt mich jedoch nicht davon ab, mich dennoch zu bewerben, denn die Beschreibung war ansprechend. Man sprach von modernen Webanwendungen, hohen Qualitätsansprüchen und einer Reihe von Vorteilen für die Mitarbeitenden.

Das Gespräch

Einige Zeit später erhielt ich die Einladung zu einem Bewerbungsgespräch. Es sollte nahe der Stadtmitte stattfinden und war entsprechend leicht zu erreichen für mich. Mein Ansprechpartner war der Geschäftsstellenleiter vom Standort Stuttgart, der erst seit neuestem diese Position besetzt hatte. Das Unternehmen, ein IT-Dienstleister, kam ursprünglich aus der Schweiz und war stark am expandieren.

Im neunten Stock eines Bürogebäudes in der Innenstadt von Stuttgart wurde ich dann in einem gemütlich wirkenden, aber nicht wirklich großen, Büro empfangen. In einem recht offenen und schlicht gestalteten Meetingraum fing mein Gespräch pünktlich an. Der Geschäftsstellenleiter, von hier an Hans genannt, war Anfang vierzig und wirkte Kompetent. Er machte nicht den Eindruck, als ob er nicht wüsste, was er gerade abfragen würde.

Ich beschrieb meine Erfahrungen und Hans erzählte mir vom Unternehmen. Die Firma sei sehr fokussiert auf seine Mitarbeiterzufriedenheit, betonte er. Es gäbe alle zwei Jahre ein Camp, in dem sich alle Mitarbeitenden treffen und gemeinsam Feiern und sich weiterbilden würden. Auch würden die Kollegen dort gemeinsam Spaßprojekte machen, für die sonst keine Zeit wäre. Zwanzig Tage Weiterbildung im Jahr seien auch inklusive. Wie man diese Tage verwenden würde, sei einem offen gestellt. Er listete noch weitere “kleinere” Vorzüge an, die ich hier nicht weiter aufzählen will.

Ein guter Ersteindruck

Im Anschluss an diese Vorstellung gingen wir durch die Büroräume. In der Mitte des Stockwerks befand sich ein Großraumbüro, das sehr offen eingerichtet war. Wenige Arbeitsplätze, die dafür viel Platz boten. Den Mitarbeitern stand es frei sich ihren Arbeitsplatz so zu gestalten, wie es ihnen beliebte und das sah man. Eine einladende Atmosphäre. Die Mitarbeiter, so erzählte man mir, seien in “gemischten” Teams aufgestellt, sodass man Designer und Entwickler in einem Team hatte und nicht nach Fähigkeiten sortierte. Dadurch versprach man sich einen kreativen Austausch zwischen den Mitarbeitern.

Ein Senior Entwickler wurde mir vorgestellt, der einen sympathischen Eindruck machte, und wir untehielten uns zu dritt über die Technologien, die er in seinem aktuellen Projekt verwendete. Die genannten Frameworks und Sprachen waren genau dieselbigen, die ich auch bei meinem damaligen Arbeitgeber verwendete.

Nach diesem kleinen Exkurs sagte man mir, dass man sich melden würde mit einer Entscheidung, ob es zu einem Zweitgespräch kommen sollte oder nicht. Dort würde man dann auch das Gehalt besprechen. Mein Fazit war echt positiv und ich war guter Dinge, dass auch ich meine Gesprächspartner von mir überzeugen konnte, den Prozess weiterzuführen.

Das Zweitgespräch

Am Tag darauf bekam ich die Einladung für das Zweitgespräch, welches exakt eine Woche nach dem ersten stattfinden sollte. In diesem Gespräch ging es technologisch etwas tiefer. Hans und ein leitender Entwickler stellten mir Fragen und wollten, dass ich auf einem Whiteboard aufzeichne, wie ich ein System aufbauen würde. Trotz vergessener Notationsfeinheiten konnte ich meine Ideen rüberbringen und zeigen, dass ich das verstand, was ich von mir gab. Wir gingen auf weitere Fragen meinerseits ein und mir wurde die Vertragsstruktur grob vorgestellt.

Gehaltstechnisch wollte ich zumindest mein Gehalt halten, welches bei knapp 60.000 p.a. Brutto bei einer 42,5-Stunden-Woche lag. Ich war jedoch auch bereit, dadurch dass mich das Unternehmen so überzeugt hatte, ein wenig einzustecken. Hans machte mir klar, dass sie meine Vorstellungen wahrscheinlich nicht erfüllen könnten, aber dass man versuchen würde soweit wie möglich in diese Richtung zu gehen, unter Beachtung der Gehälter von ähnlich aufgestellten Kollegen. Ich bekam also die Standardantwort.

Paralleler Prozess

Zur gleichen Zeit hatte ich einen weiteren aktiven Bewerbungsprozess, den ich sehr gerne weiterverfolgen würde, da dieser mit einem riesigen Online-Versandhandel (bzw. der dazugehörigen Videostreaming-Platform) stattfand. Ich bat also um eine Fristverlängerung bezüglich meiner Entscheidung für oder gegen das Unternehmen, bis ich aus London zurückkommen würde.

Ich versuchte ein wenig Verständnis in Hans zu erregen, da die Möglichkeiten bei einem solch international aufgestellten Unternehmen schier unendlich schienen. Mir würde die ganze Welt offen stehen, hatte ich nur einen Fuß in der Tür. Hans schien dies zu verstehen und versicherte mir, dass er versuchen würde die Frist zu verlängern.

Nach meinem gescheiterten Interview in London war mir klar, dass es wohl nichts werden würde, doch wartete ich auf die Antwort vom Unternehmen. Diese kam recht schnell und meine Vermutung wurde bestätigt. Es war eine Absage. (Auf dieses Abenteuer werde ich in einem der folgenden Beiträge eingehen.)

Gleich im Anschluss an das Telefonat mit der Recruiterin aus England, meldete ich mich bei Hans per E-Mail und wollte den Prozess fortsetzen, falls er das denn auch wollen würde. Ich hatte Glück und man hatte auf mich gewartet. Es ging also in die dritte Runde, welche eigentlich nur aus dem Vertragsangebot, sowie der Vorstellung des Vertrags und weiteren Formalitäten bestand.

Das plötzliche Ende

Man bot mit, soweit ich mich erinnere, um die 55.000€ p.a. an bei einer 40-Stunden-Woche. Ich war ein wenig enttäuscht, aber nahm dennoch an, denn das Unternehmen und die Mitarbeiter hatten mich von sich überzeugt. Ich dachte, dass ich auch gut reinpassen würde. So war zumindest auch das Feedback von Hans.

Ich ging aus diesem dritten Gespräch mit der Info, dass ich den Vertrag zugesandt bekommen würde. Dies geschah tatsächlich auch und ich unterschrieb den Vertrag und sandte ihn zurück an das Unternehmen.

Einige Tage später erhielt ich eine weitere E-Mail, in der sich Hans bei mir entschuldigte, denn es gab einen Einstellungsstop in dem Unternehmen. Grund hierfür war, dass innerhalb der gesamten Gruppe mehr Mitarbeiter eingestellt worden waren, als geplant und dass große Kunden ihre Projekte verschoben hätten.

Für unsere Zusammenarbeit heiße das, dass gewartet werden müsse, wie sich die Projektlage entwickelt. Er ginge davon aus, dass es nach den Sommerferien weitergehe, aufgrund von betrieblichen Gegebenheiten. Er bat um Verständnis, doch ich empfand das als einen Rückzieher in letzter Minute. Mir dämmerte es, dass sie sich nich bei mir melden würden.

So kam es dann auch, denn ein oder zwei Wochen später sah ich schon wieder neue Stellenangebote von diesem Unternehmen für den Standort Stuttgart auf LinkedIn. Hans hatte mir also die Wahrheit nicht sagen wollen.

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