Hass – Der Beitrag von Social Media zur Polarisierung des Volkes

Seit der letzten Bundestagswahl beschäftige ich mich immer mehr mit politischen Themen und immer mehr fällt mir auf, wie polarisiert Menschen im politischen Sinne geworden sind. Polarisierung heißt hier, dass die Meinungsverschiedenheiten zwischen Personen einer Gesellschaft immer stärker werden. Dadurch kommt es zu immer größer werdenden Konflikten zwischen den unterschiedlichen Lagern und Kompromisse zu finden wird somit nahezu unmöglich. Es wird gegeneinander gehetzt und Propaganda gemacht. Immer öfter ist das Resultat Hass.

Hasserfüllte Menschen

Mir wird unwohl, wenn ich mich mit politischen Themen befasse, in denen hasserfüllte Menschen beteiligt sind. Leider gibt es kaum ein Thema mehr, welches nicht unter diese Kategorie fällt. Beginnend beim Klimawandel, über die Flüchtlingspolitik, bis hin zur Gleichstellung von Mann und Frau; in jeder Debatte, oder Diskussion gibt es Propagandamacher, die einen Diskurs auf Augenhöhe vermeiden wollen.

Meist wird mit der Angst von Menschen gespielt und Hass geschürt gegen bestimmte Personengruppen. Die Wahlergebnisse der letzten Jahre zeigen, dass dies scheinbar gut zu funktionieren scheint, denn rechtspopulistische Parteien gewinnen immer mehr an Fahrt. Nicht nur in Deutschland, sondern innerhalb der ganzen EU.[1]

Dass Rechtspopulismus auch meist einhergeht mit Hass, ist herauszulesen aus den Botschaften rechtspopulistischer Parteien. Diese haben bewusst das Ziel, den Bürgerinnen und Bürgern des Landes Angst zu machen und ein, in diesem Fall längst etabliertest, Feindbild (wieder) ins Bild zu holen. Folgend ein Auszug aus dem Protokoll des Bundestags vom 17. März 2022.

Woran erkennt man wirkliche Flüchtlinge? Die sind, anders als 2015, meist weiblich, haben ihren Pass dabei, treten dankbar auf statt fordernd, und sie wollen zurück in die Heimat.[…] Die hilfsbereiten Bürger aber ärgert die Kontrollverweigerung und der wieder bewusst zugelassene Missbrauch der deutschen Hilfsbereitschaft

Dr. Gottfried Curio (AfD) [2]

Aussagen wie die obige führen dazu, dass Hass nicht nur präsent ist, sondern ebenfalls repräsentiert wird auf einer politischen Bühne. Doch natürlich sind nicht lediglich die Politiker daran beteiligt, solch eine Stimmung in der Bevölkerung zu verbreiten. Auch soziale Medien tragen ungewollt einen großen Teil dazu bei.

Polarisierender Faktor: Social Media

In seinem seit 2020 jährlich erscheinenden Paper “Future Shocks”, möchte das EU Parlement – vertreten durch das European Parliamentary Research Service, kurz EPRS – die möglichen Risikofaktoren für die Europäische Union festhalten. In dem diesjährigen Paper (2022) wurde auch der Punkt erwähnt, dass Algorithmen den rationalen politischen Diskurs untergraben, da die Betreiber der meist verwendeten Plattformen kommerzielle Unternehmen sind, deren Hauptziel die Gewinnmaximierung ist.

The online public space for (democratic) debate where people not only express, but also form, opinions is currently dominated by a handful of commercial tech platforms that design, employ and optimise their algorithms with a view to maximising profits, without independent oversight. […] As recent Facebook leaks reconfirmed, negative emotions – in particular, anger – are most efficient at generating engagement on social media.

Future Shocks 2022, European Parliamentary Research Service [3]

Wieso das der Fall ist, steht nur bedingt in dem Bericht. Hier eine kleine Simplifizierung des Sachverhalts.

Algorithmen

Die Algorithmen, die den sozialen Netzwerken zugrunde liegen, haben das Ziel, dass die Nutzer möglichst viel Zeit auf ihrer Plattform verbringen. Das gelingt nur dann, wenn den Personen vor dem Bildschirm das angezeigt wird, was diese sehen wollen. Wie auch schon in meinem Beitrag Freizeit – Das Problem der Auswahl erwähnt, spielt die Industrie hier mit der Funktionsweise des menschlichen Gehirns.

Da die Interaktionszeit eines jeden Nutzers mit einzelnen Beiträgen messbar ist, erkennt dann der Algorithmus, mit welcher Art von Beiträgen sich der Nutzer am meisten und intensivsten befasst. Auch werden Informationen von anderen Nutzern herbeigezogen, um zu sehen, welche weiteren Inhalte den aktuellen Nutzer ansprechen könnten.

Der Selbstversuch

Gut zu veranschaulichen ist dieses Phänomen, wenn man sich auf YouTube ausloggt und seinen Verlauf löscht, beziehungsweise einen Browser im incognito Modus verwendet.

Zunächst werden einem auf der Startseite alle Arten von Videos angezeigt, die aktuell beliebt sind, oder eine hohe Bindungsrate haben. (Videos mit hoher Bindungsrate sind diejenigen, die im Schnitt lange angeschaut werden.) Hier gibt es sowohl politische, als auch unpolitische Inhalte. Klickt man auf ein paar der Videos und schaut sich diese an, so weiß der Algorithmus direkt viel mehr über einen, selbst wenn man nicht eingeloggt ist. Daraus werden dann Empfehlungen abgeleitet und man hat plötzlich eine Startseite, die auf einen selbst zugeschnitten ist.

Ich hatte bei meinem Selbstversuch auf der Startseite ein Video, welches sich kritisch (leugnend) mit der Klimadebatte befasst hat. Dieses habe ich mir einige Minuten lang angesehen. Als ich dann wieder zurück bin auf die Startseite, habe ich einige weitere Videos empfohlen bekommen, die mich interessieren könnten. Jene welche, die ebenfalls den Klimawandel leugnen.

Polarisierung

Im politischen Sinne führt das dazu, dass mir nur noch das angezeigt wird, was mich in meinen Ansichten bestätigt. Dadurch, dass ich mir keine Inhalte anschaue, die mich nicht interessieren, bleibe ich fernab davon, was es sonst so für politische Lager gibt. Denn die wenigsten Menschen befassen sich mit Meinungen, die entgegen dem gehen, wovon sie selbst überzeugt sind.

Ehe ich mich versehe, lebe ich also in einer Filterblase und sehe nur noch das, was meine Meinung bestärkt. Bin ich dann in der “realen Welt” unterwegs und es kommt zu einer politischen Auseinandersetzung, so werde ich gegebenenfalls mit Argumenten konfrontiert, die ich vorher noch nicht gehört habe. Diese sind dann einfach abzuweisen, denn jeder, den ich verfolge, sagt, dass meine Ansicht die richtige ist.

Das führt dann zu Frust, denn ich verstehe nicht, wieso es so viele blinde Menschen geben kann, die die Wahrheit noch nicht erkannt haben. Um meiner Meinung Gehör zu verschaffen, teile ich diese Meinung immer öfter mit anderen und gehe auf Demonstrationen mit meinen Mitmenschen, die genau das gleiche Bild von der Welt haben wie ich.

Dass soziale Medien eine große, meinungsbildende Wirkung haben, zeigen Greg Lukianoff und Jonathan Haidt in ihrem Buch The Coddling of the American Mind.

The Coddling of the American Mind

Die Autoren dieses Buchs gehen nicht nur, wie ich oben, auf Propaganda von rechts ein, sondern legen auch ein Augenmerk auf linke Meinungsbildung, die sich vor allem in akademischen Kreisen zu zeigen scheint.

Studenten und Studentinnen sind demnach sehr sensibel, was Meinungen angeht, die contraire dem sind, wofür sie stehen – also das, was wir heute als “Cancel Culture” kennen. Diese Cancel Culture drückt sich so aus, dass Studierende sich bei der Hochschule lautstark beschweren (in Form von Demonstrationen oder eine Unmenge an Beschwerdebriefen), sodass eingeladene konservative (und rechte) Redner wieder ausgeladen werden. An einigen Fallbeispielen, in denen auch Gewalt im Spiel ist, verdeutlichen die beiden Verfasser diesen Sachverhalt.[4]

Haidt und Lukianoff legen nahe, dass dieses Phänomen daraus resultiert, dass die Studierenden heutzutage, also die Angehörigen der Generation Z (auch bekannt als iGen), schon von klein auf in einer Filterblase leben, in der sie sowohl durch Algorithmen als auch durch ihre Erziehungsberechtigten nicht mit gegensätzlichen Meinungen konfrontiert werden.

Resultat: Hasskriminalität

Das, was aus all diesen Gegebenheiten resultiert sind nicht nur die immer extremer ausfallenden Diskussionen und Demonstrationen, sondern leider auch ein erhöhtes Aufkommen von Kriminalität. Obwohl alle politischen Lager in Kriminalität verwickelt sind, geht die Mehrheit, vor allem unter Anbetracht der Anwendung von Gewalt, von rechts aus. Hier scheint die Bereitschaft für einen tatkräftigen Einsatz höher als in anderen Kreisen.

Aus den Statistiken des Bundesministeriums des Inneren und der Heimat (BMI) zur politisch motivierten Kriminalität (kurz PMK, hier Hasskriminalität) erkennt man, dass rechte Personen und Gruppen diejenigen sind, die die meisten Straftaten begehen. Ein nahezu konstanter Anstieg in den letzten zwanzig Jahren an Hasskriminalität ist zu beobachten.[5]

Die Spitzen im Diagramm in den Jahren 2015 und 2016 gehen einher mit der sogenannten Flüchtlingskrise. Die obige Statistik beinhaltet ebenfalls die Fallzahlen zur politisch motivierten Kriminalität unter Anwendung von Gewalt. Eine weitere Grafik zeigt die Unterkategorie “Hasskriminalität Gewalt”.

Gegenmaßnahme: Konfrontation

Was nun gegen diese Phänomene unternommen werden kann ist, meines Erachtens nach, klar. Die Filterblase muss aufgelockert werden, sodass Menschen nicht nur das angezeigt bekommen, was Ihnen gefallen könnte, sondern auch Inhalte, die entgegen ihrer eigenen Meinung gehen.

Moderne KI kann dabei helfen, Inhalte zu klassifizieren und beipielsweise jemandem, der viel mit Verschwörungen zu tun hat, ein paar wissenschaftliche Videos zu empfehlen. Genauso könnte man den linksliberalen Studenten mit Meinungen konfrontieren, sodass dieser sich in Empathie üben muss, um zu verstehen, wie jemand Angst vor der “Islamisierung des Abendlandes” haben kann.

Dass das anfangs auf viel Gegenwehr stoßen wird und Konflikte auslösen wird, ist unumgänglich. Vor allem, um im Beispiel von YouTube zu bleiben, wenn man sich die Kommentare unter Videos ansieht, die alle der gleichen Ansicht sind, und wo ein rationaler Diskurs nicht stattfinden kann, weil die Beteiligten zu emotional aufgeladen sind.

Dennoch denke ich, dass es keine wirkliche Alternative dazu gibt. Um mit den Worten der Bürger Bikini-Bottoms zu sprechen: Die Blase muss platzen.

Quellen

[1] – Zeit – Wahl in der EU: Europa von links nach rechts – https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-05/parlamentswahlen-eu-laender-wahlergebnisse-europakarte

[2] – Curio, Gottfried, Dr. – Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode – 21. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 17.März 2022 – https://dserver.bundestag.de/btp/20/20021.pdf#P.1583

[3] – EPRS: European Parliamentary Research Service with the Directorates-General for Internal Polices (IPOL) and External Policies (EXPO) – Seite 65, “Algorithms undermining rational political debate” -https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2022/729374/EPRS_STU(2022)729374_EN.pdf

[4] – Lukianoff, Greg und Haidt, Jonathan (2018) – The Coddling of the American Mind – ISBN 978-0-141-98630-2

[5] – Bundesministerium des Inneren und der Heimat – Übersicht “Hasskriminalität”: Entwicklung der Fallzahlen 2001 – 2021 – https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/nachrichten/2022/pmk2021-fallzahlen-hasskriminalitaet.pdf

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